Das Universitätsklinikum Köln hat einen Neubau komplett mit BIM geplant. Für den zuständigen Architekten ist die Methode nicht mehr wegzudenken. Nun soll der gesamte Campus als digitaler Zwilling erstellt werden.
Schritt für Schritt arbeitet sich ein fahrbarer Bohrroboter von Decke zu Decke durch den fünfgeschossigen Neubau des Zentrums für Stoffwechselforschung (ZfS) des Universitätsklinikums Köln. Das Laborgebäude hat eine enorm hohe Leitungsdichte für Wasser, Strom, Gase und Belüftung. Insgesamt 18 235 Löcher unterschiedlicher Größe muss der Roboter für die Haltekonstruktionen dieser Leitungen in die Stahlbetondecken bohren. Bedient wird er dabei von nur einem Mitarbeiter, der den Roboter jeweils zum aktuellen Bauabschnitt steuert und die Bohrer verschiedener Größe wechselt.
Der Roboter erhält millimetergenaue Bohrinformationen aus den zuvor mittels der Methode BIM erstellten, dreidimensionalen Pläne. Falls er beim Bohren auf Stahl trifft und der Widerstand größer wird, bricht er selbstständig den Vorgang ab und protokolliert die betreffende Stelle. Am Ende des Arbeitstags synchronisiert sich der Roboter mit einer Datenbank, sodass die Projektbeteiligten den Verlauf der Bohrarbeiten verfolgen und auswerten können. Für jede Bohrung benötigt der Roboter rund eine Minute. Berechnungen zufolge spart das Verfahren gegenüber dem konventionellen Bohren rund 35 Prozent der Zeit und der Kosten ein.
Vermeidung von Kollisionen
Alle Bauelemente und technischen Bauteile des Gebäudes sind in der cloud basierten Datenplattform hinterlegt. Jeder neue Bauabschnitt, jede noch so kleinste Änderung am ursprünglichen Plan, wird in die Planungsdaten übernommen. Dadurch entsteht in der Cloud ein dreidimensionales, digitales Abbild des Laborgebäudes – ein digitaler Zwilling. Building Information Modeling, kurz BIM, heißt das Verfahren, mit dem alle Komponenten des Baus in elektronischen Plänen festgehalten werden, und das sich immer stärker bei Bauvorhaben durchsetzt. „Wir haben den gesamten Planungsprozess mit BIM durchgeführt“, sagt Christian Steinkrüger. Der Architekt betreut das Projekt als Projektleiter für die Medfacilities GmbH, die Bautochter des Universitätsklinikums Köln. „Dadurch haben wir durch Qualitätssicherung und Kollisionsprüfungen sehr früh eine sehr hohe Planungsqualität erreicht“, erläutert er.
Weniger Mängel in der Planung bedeuten mehr Zeitersparnis auf der Baustelle.
Bei der herkömmlichen Planung erstellen die Fachplaner ihre Pläne entweder nacheinander oder zeitgleich. Dabei kann es passieren, dass beispielsweise ein Rohr mit einer Wand, oder ein Abwasserrohr mit einem Lüftungskanal kollidiert. Bei BIM werden die erstellten Modelle wöchentlich auf die Datenplattform hochgeladen, und das BIM-Management führt mit diesen Daten eine Kollisionsprüfung durch. Falls die Prüfsoftware eine Kollision entdeckt, werden die beteiligten Fachplaner darüber informiert, damit sie eine Lösung zur Vermeidung dieser Kollision finden. „Weniger Mängel in der Planung bedeuten mehr Zeitersparnis auf der Baustelle“, so Steinkrüger.
Beschleunigte Wartung und Instandhaltung
Die Bauherren versprechen sich vom digitalen Zwilling vor allem einen Mehrwert für den späteren Betrieb. Alle technischen Informationen zum Gebäude sollen zum Beispiel mit einem Tablet und über das Web abrufbar sein. Zudem lassen sich später im fertiggestellten Gebäude mittels Augmented Reality Echtzeitaufnahmen mit den BIM-Plänen überblenden, um zum Beispiel die Position von Rohren oder Leitungen in den Wänden zu identifizieren.
Dieses Verfahren wird bereits in der Bauphase des Pilotprojekts verwendet. Der eigentliche Vorteil besteht darin, dass sich zu jedem verlegten Bauteil Informationen wie Produkttyp oder Wartungsanleitungen hinterlegen lassen. Reparaturen und Wartungsarbeiten sollen so beschleunigt und Ausfallzeiten der betreffenden Einrichtung verringert werden.
BIM-Großprojekt
„Die Baubranche befindet sich in einem starken Wandel, der auch durch BIM geprägt wurde“, stellt Steinkrüger fest. „BIM ist hier nicht mehr wegzudenken.“ Für das Universitätsklinikum Köln ist der Neubau des Zentrums für Stoffwechselforschung nur der Anfang. Basierend auf den Erfahrungen mit diesem Pilotprojekt sollen nacheinander alle Gebäude auf dem Campus, auch die Altbauten, als digitaler Zwilling mit Informationen zu den verbauten Geräten und Elementen erstellt werden.
Ein Projekt dieser Größenordnung mit öffentlichen Gebäuden gab es bislang noch nicht in Deutschland. „Durch die von uns festgelegte, konsequente Umsetzung der Planungsmethode BIM bis in den Betrieb hinein, nehmen wir beim digitalen Bauen in Nordrhein-Westfalen eine Vorreiterrolle ein“, stellt Medfacilities-Geschäftsfüher Prof. Dr. Peter Heinen fest. Zur Umsetzung haben das Universitätsklinikum Köln und die Medfacilities GmbH einen 7-Stufen-Plan entwickelt (siehe Kasten). „Das Pilotprojekt wird im Mai 2024 fertiggestellt“, sagt Steinkrüger. „Gleichzeitig werden wir Methoden zur Bestandserfassung testen und analysieren. Wir hoffen, dass wir noch im Jahr 2024 mit den ersten Bestandsaufnahmen beginnen können.“
Stufenweise Einführung von BIM
- Strategische Planung und Entscheidung: Definition von Zielen und Erwartungen der BIM-Einführung. Analyse der Bestandssysteme und Erstellung von Lastenheften. Grundsatzentscheidung zur Einführung von BIM bei allen Neubauprojekten bis in den Betrieb hinein.
- Implementierung und Planung: Als Pilotprojekt wurde der Neubau des Zentrums für Stoffwechselerkrankungen gewählt. Das Projektteam erhielt Schulungen in BIM. Ein externes BIM-Management wurde beauftragt und das Datenmanagement aufgesetzt und definiert. Festlegung der Zusammenarbeit zwischen allen Projektbeteiligten und der Kommunikationswege. Einführung von Kollisionsprüfungen.
- Bauausführung: Die BIM-Anforderungen für die Ausführungsplanung und Ausführung in den Ausschreibungsunterlagen wurden festgelegt. Zusammen mit Fachleuten aus dem Betrieb wurde definiert, wie der digitale Zwilling aussehen soll und welche Attribute der Bauteile benötigt werden. Im Pilotprojekt wurde der Einsatz des Bohrroboters für die Trassenführung und eine Augmented-Reality-Software für die Bauüberwachung erprobt.
- Übertragung: Alle Projekte, die auf das Pilotprojekt folgen, sollen ebenfalls mit BIM gestartet werden. Die im Pilotprojekt gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse werden auf diese weiteren Projekte übertragen.
- BIM im Betrieb: Eine BIM-Strategie für die Betriebsphase ist besonders wichtig, da der Betrieb die längste Phase im Lebenszyklus des Gebäudes darstellt. Ziel ist es, alle aktuellen Daten aller Gebäude des Campus zentral abzulegen. Nach einer Analyse der Softwarelandschaft und der Bestandssysteme entschieden sich die Projektverantwortlichen dazu, die bestehenden Systeme beizubehalten und eine Integrationsplattform zu programmieren. Das Pilotprojekt dient zur Schulung der Mitarbeitenden.
- BIM bei Bestandsgebäuden: Viele Neubauten werden bereits mit BIM realisiert. Für Bestandsgebäude großer Liegenschaften existieren jedoch noch keine einheitlichen Lösungen. Das Universitätsklinikum Köln plant den Einsatz von Laserscans mit einer Schnittstelle zu BIM-Modellen.
- Vogelperspektive: In der letzten Stufe erfolgt die Erfassung des gesamten Campus. BIM-Daten sollen für Lebenszyklusanalysen genutzt werden.
Quelle:
Foto: Formitas – Durch Überlagerung mit BIM-Daten macht die erweiterte Realität jedes in der Wand verborgene Bauteil sichtbar.