Nach einem Schlaganfall kämpfen Betroffene häufig mit Lähmungserscheinungen. Für die Rehabilitation müssen sie nicht nur viel Zeit für die Arbeit mit dem Physiotherapeuten einplanen, sondern auch stetig Motivation für die Übungen Zuhause aufbringen. Ein Reutlinger Startup will mithilfe von Virtual Reality (VR) Patienten neu motivieren und deren Rehabilitation unterstützen.
Bis zu 270.000 Menschen in Deutschland erleiden jedes Jahr einen Schlaganfall. Wer den Hirninfarkt überlebt, steht meist vor einer jahrelangen Rehabilitation, um Fähigkeiten wie Sprache und Bewegung neu zu erlernen. Hierfür gibt es verschiedene Therapiemöglichkeiten wie die Spiegeltherapie. Dabei wird ein Spiegel so platziert, dass in ihm die Bewegungen der gesunden Seite als Bewegungen der beeinträchtigten Seite gesehen werden, wodurch betroffene Hirnareale stimuliert werden.
Die analoge Therapieform hat das deutsche Startup Rehago mithilfe von Virtual Reality digitalisiert und optimiert. Die App „adaptiert die Spiegeltherapie und bindet sie in kurzweilige Spiele ein“, erklärt Mitgründer Johannes Höfener. „Das System wird derzeit in zehn Kliniken und Therapiepraxen eingesetzt und in den allermeisten Fällen gut angenommen.“
Welche Vorteile Rehago gegenüber der klassischen Rehabilitationsmethode hat und wie offen ältere Menschen gegenüber Virtual Reality sind, erklärt Johannes Höfener im Interview mit finanzen.de.
Welche Vorteile hat das Training im Vergleich zur herkömmlichen Spiegeltherapie?
Johannes Höfener: Ein großer Vorteil ist die Motivation, die durch die spielerischen Übungen gesteigert wird und die Betroffenen animiert, regelmäßig an ihrer Leistungsgrenze zu trainieren. Ein Patient, der seit 20 Jahren gelähmt ist, hat uns berichtet, dass bei einigen Übungen die betroffene Hand mit zuckt, was ein großer Schritt in die richtige Richtung ist.
Die Software führt Betroffene zudem durch Übungen und wertet automatisch aus, wie sie sich entwickeln. Mit diesen Daten kann das behandelnde Fachpersonal das Training und den gesamten Therapieprozess individuell anpassen.
Häufig sind ältere Menschen von einem Schlaganfall betroffen. Diese bringen Sie mit Virtual Reality zusammen. Wie gut kommen die Patienten damit zurecht?
Johannes Höfener: Zum einen sind viele ältere Menschen sehr aufgeschlossen für Neues – die
Digitalministerin Dorothee Bär (CSU) spricht in dem Zusammenhang auch vom mentalen Alter. Manchmal braucht es zwar ein bisschen Überwindung. Aber sobald die Brille einmal aufgesetzt wurde, sind auch im Seniorenheim die meisten mit Spaß dabei.
Zum anderen hilft gerade die Virtual Reality-Technik dabei, die Hürden für unerfahrene Nutzer zu senken, da sie mit sehr natürlichen Gesten in einer real wirkenden Umgebung agieren. Sie müssen sich also nicht auf abstrakte Menüs und Verknüpfungen einlassen. Im Design nennt sich dieses Konzept Skeumorphismus und kann mit VR zum ersten Mal wirklich gut umgesetzt werden.
Die begleitenden Übungen zur Therapie über die VR-Brille kosten derzeit 30 Euro im Monat. Werden diese von der Krankenkasse übernommen?
Johannes Höfener: Aktuell wird Rehago noch nicht von der Krankenkasse übernommen, da dies ein sehr langer Prozess ist. Wir sind aber bereits im Gespräch mit verschiedenen Krankenkassen, um
Rehago in Zukunft für die Betroffenen noch leichter zugänglich zu machen.
Die Nutzung von Virtual Reality ist im Gesundheitsbereich noch recht neu. Welche anderen Gebiete bieten sich aus Ihrer Sicht an, um mit VR die Rehabilitation von Patientinnen und Patienten zu unterstützen?
Johannes Höfener: VR birgt sehr viel Potential im Gesundheitsbereich. Unsere Übungen können bei verschiedenen Krankheitsbildern wie Lähmungen, chronischen Schmerzen oder Gesichtsfeldausfällengenutzt werden und stellen ein zusätzliches kognitives Training dar. Besonders die Psychotherapie profitiert sehr stark davon, Szenarien realistisch darzustellen und schrittweise intensivieren zu können.
Auch in der Demenztherapie und für Gleichgewichtstraining wird VR eingesetzt. Da die Umgebung genau auf die Bedürfnisse der Behandelten angepasst werden kann und Nutzer sich in der virtuellen Welt mit ihrem echten Körper bewegen, ist der Einsatz in fast allen Bereichen des Eigentrainings möglich und kann die Therapiesitzungen bereichern.
Ihr Training verfolgt den Ansatz der Telemedizin. Kann dieses den persönlichen Besuch beim Therapeuten langfristig ersetzen, was insbesondere für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen von Vorteil wäre?
Johannes Höfener: Wir arbeiten bereits an einer Möglichkeit, die Trainingsfortschritte aus der Ferne überprüfen und abrufen zu können. Damit kann zwar prinzipiell die Häufigkeit der persönlichen Besuche reduziert werden, aber es können bei weitem nicht alle therapeutischen Übungen ersetzt werden. Passive Bewegungen müssen beispielsweise durch Therapeuten oder geschultes Personal durchgeführt werden.
Vielen Dank für das Interview Herr Höfener.
Quelle:
https://www.finanzen.de/news/19061/schlaganfalltherapie-motivation-mit-virtual-reality-training-steigern