Wie ein Digital Twin Effizienz und Qualität im Service steigert
Serviceorganisationen stehen vor der Herausforderung die Servicequalität zu steigern und das bei ständig breiter und tiefer werdenden Produktpaletten. Gleichzeitig ist das Ziel, die Kosten stabil zu halten oder gar zu senken. Meine Erfahrung aus der Prozessoptimierung im Kundendienst zeigt mir, dass viele Unternehmen seit Jahren ihren Service digitalisieren und stetig nach neuen Innovationen suchen, die Prozesse verschlanken und für schnelleren und kostengünstigeren Service sorgen. Je ausgefeilter die Systeme und Strukturen allerdings sind, desto schwerer tun sich Unternehmen neue Innovationen auszuprobieren und in bestehende Prozesse zu implementieren. Dabei liegen die Business-Cases quasi auf der Hand. Beispielsweise bringt ein Digital Twin große Effizienzgewinne für den Service.
Digital Twin – Was ist und soll das eigentlich?
Der Digital Twin ist dabei eine vollständig digitale Kopie eines physischen Produktes. Allerdings wird derzeit der Begriff durch viele Produkt- und Maschinenhersteller verwässert, indem einfache Abbilder ohne jegliche Funktion als Digital Twin bezeichnet werden. Die Schere der Begriffsdefinition reicht in den Aussagen der Hersteller bis zum vollständig funktionsfähigen Abbild. Mit diesem können dann Produkt- und Funktionstests digital erstellt werden. Es lohnt sich also genau hinzuschauen, in welchem Reifegrad sich der Digital Twin befindet und welchen Fokus die AR/VR-Lösung in der Zielgruppenansprache hat. Hier reicht die Spanne von einer hochauflösenden Erlebniswelt für Marketingzwecke bis hin zu einer Modellnutzung zur Qualitätssicherung. Dabei lassen sich große Synergieeffekte nutzen, wenn der Digital Twin nach einmaliger Aufbereitung über alle Bereiche genutzt wird.
Betrachten wir die Effizienzpotentiale könnte man bspw. auf den Bau von physischen Prototypen verzichten. Alle nötigen Tests könnten in digitaler Form erbracht werden. Der gleiche Digital Twin kann im Nachgang genutzt werden, um Anwender zu trainieren, Trainingszeiten insgesamt zu reduzieren und Arbeiten am Produkt digital auszuüben. Der Verkauf der digitalen Abbilder erschließt neue Umsatzpotentiale, denn statt des Produktes kann eine Digitalisierung erfolgen, auch beim Kunden. Viel wichtiger ist noch die bessere Erklärbarkeit gerade von Investitionsgütern und damit die Emotionalisierung im Verkauf – dies führt vermutlich zu einer positiven Kaufentscheidung beim Kunden. Ein weiterer Vorteil ergibt sich, wenn verschiedene Produkte in Form ihrer Digital Twins zusammengeschaltet werden, so können Abhängigkeiten frühzeitig erkannt werden bevor das Produkt gebaut wird. Sehr viele Möglichkeiten – für ein Unternehmen ist hier eines entscheidend: Keinen Flickenteppich an Lösungen zuzulassen, sondern gezielt mit einem Proof-of-Concept zu starten und dann diesen in einen Piloten zu überführen. Wichtig ist es dabei, unternehmensweit zu denken.
Drei Cases – Ein Ziel: Wissensmanagement über einen Digital Twin
Zühlke hat mit drei Kunden genau diese ersten Schritte gemacht und kleine Proof-of-Concepts entwickelt: Die Firma Fronius hatte das Ziel, einen Schweißrobotor außerhalb der Schweißzelle darzustellen und Einstellungen vorzunehmen. Das digitale Abbild lässt sich durch die Anbindung an Microsoft Azure komplett bedienen. Siemens geht mit Mindspere based on Azure und dem Digital Twin in die Richtung, Maschinen durch Hologramme in die digitale Welt zu holen. Durch die entwickelte App, die im Rahmen der Hannover Messe gezeigt wurde, wird ein weiteres Potential aufgezeigt. Neben der Bedienung, kann über die Azure Komponente Cognitive Services mit Hilfe eines Fotos der Status der Maschine erkannt werden. Dabei wird das Foto auf Azure analysiert und das Ergebnis dem Nutzer via Sprachausgabe übermittelt. Zühlke und Jungheinrich hatten bereits Anfang des Jahres einen gemeinsam Case entwickelt, um den Reparaturprozess eine Niederhub-Fahrzeuges durch holgraphische Anleitung zu optimieren. Dabei wird ein digitales Abbild über das FFZ gelegt und der Techniker Schritt-für Schritt durch die Reparatur geführt.
Aus 3 mach 1: Der Wow-Effekt der Konsolidierung im Service
Jeder Case für sich genommen ist ein Gewinn für jedes einzelne Unternehmen. Zur Evolution kommt es dann, wenn eine Kombination der Cases stattfindet – sprich die Schaffung eines HoloAssistent für den Service mit dem Ziel, Wissen und Prozess zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zusammenzuführen. In einer Vision könnte der Serviceablauf in einigen Jahren wie folgt aussehen: Der Techniker schaut auf sein Smartphone, um die Adresse für den Einsatz und den Ansprechpartner vor Ort zu identifizieren. Auch eine Kurzbeschreibung und die Maschine, um die es sich handelt, findet er auf seinem Smartphone. Angekommen beim Kunden und dem zu reparierenden Produkt setzt er sich die Microsoft HoloLens auf und beginnt mit der Arbeit. Eine bereits laufende App zeigt ihm dabei den Einsatz an und über eine Direct-Communication. Entweder mittels Bluetooth oder cloudbasiert, werden ihm die aktuellen Betriebsdaten und Einstellungen des Produkts visualisiert. Gleichzeitig ermittelten Cognitive Services direkte Lösungsmöglichkeiten des Einsatzfalles und werden dem Techniker aktiv vorgeschlagen. Die Anleitungsprozesse werden als Hologramm auf die Maschine gelegt und der Techniker Schritt für Schritt angeleitet. Dem Kunden ist eine Dokumentation sehr wichtig, daher werden sowohl die abgearbeiteten Schritte, als auch Fotos automatisch mit der HoloLens erzeugt und dem CRM System zur Verfügung gestellt. Der Kunde unterschreibt den Servicebericht entweder auf dem Smartphone oder auf dem Tablet. Um diese Vision zu erreichen, sind viele Schritte nötig. Daher lohnt es sich, über einen kleinen Case nachzudenken, der es einem ermöglicht, die ersten Schritte zu gehen. Die Idee ist es dabei nicht, den ganzen Prozess sofort ins Auge zu fassen, sondern mit der Einarbeitungszeit neuer Techniker zu beginnen und damit zunächst eine kleine rentable Lösung zu schaffen.
Kosten / Nutzen – Der Bierdeckel ROI.
Angenommen ein Techniker bekommt normalerweise 6 Monate intensive Ausbildung und ist danach erst soweit einsatzbereit, um zum Kunden zu fahren und Umsatz und damit Deckungsbeitrag zu erzielen. In dieser Annahme gehen wir weiter davon aus, dass durch einen HoloAssistent der Techniker zwei Monate früher als sonst zum Kunden kann. Die HoloLens unterstützt ihn in den folgenden 6 Monaten täglich bei der Arbeit, danach gibt er sie wieder ab, damit neue Kollegen sie nutzen können. Für den Bierdeckel ROI nehmen wir einfache Zahlen an: Ein Unternehmen mit 1000 Servicetechnikern weltweit, stellt jedes Jahr 100 neue Techniker aufgrund von Fluktuation und Wachstum ein und setzt im Rahmen der Ausbildung auf den HoloAssistent mit der Microsoft HoloLens, um die Servicetechniker 2 Monate früher zum Kunden zu schicken. Dadurch ergeben sich folgende Zahlen:
Anzahl Einsätze je Techniker pro Tag | 3 |
Wert eines Einsatz pro Techniker | 500 € |
Durchschnittliche Deckungsbeitrag je Einsatz | 20% |
Deckungsbeitrag pro Techniker und Tag | 300 € |
Anzahl Arbeitstage in 2 Monaten | 40 |
Deckungsbeitrag je Techniker in 2 Monaten | 12.000 € |
Anzahl Neueinstellung (Fluktuation, Wachstum) | 100 |
Deckungsbeitrag der Neueinstellungen in 2 Monaten | 1.200.000 € |
Klassischerweise müssen sich Projekte in dieser Größenordnung nach spätestens 3 Jahren wirtschaftlich zeigen. Im Beispiel wäre als eine Investition von rund 3,6 Mio. EUR möglich, um diese KPI zu erreichen.
Deckungsbeitrag für 3 Jahresbetrachtung | 3.600.000 € |
Investition je HoloLens für 100 Techniker | 550000 |
Budget für HoloAssistent Solution | 3.050.000 € |
Eine Summe, die durchaus realistisch erscheint um eine intuitive produktive Lösung zu schaffen!
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