Plastikmüll und Unterwasserlärm machen den über 2700 Arten der Ostsee schwer zu schaffen. Wie schützenswert ihr Lebensraum ist, können sich Museumsbesucher nun eindrucksvoll vor Augen führen lassen.
Neue Attraktion im Ozeaneum: Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) lässt die Besucher optisch in die Ostsee abtauchen – und zwar mit modernen VR-Brillen. VR steht für virtuelle Realität. Wer einer der drei Brillen aufsetzt, kann 360-Grad-Filme sehen, die unter der Wasseroberfläche der Ostsee gedreht wurden.
Mehr als zwei Jahre wurde das Projekt mit dem Titel „Ostsee Life“ entwickelt. Am Dienstag stellten es Vertreter des Nabu und des Ozeaneums vor und weihten es ein. „Die Ostsee bietet viel mehr als Bade- und Strandvergnügen. Sie ist bunt und vielfältig. Moderne Technik ermöglicht es uns, Auge in Auge mit einem Schweinswal zu tauchen oder übers Kreideriff vor Rügen zu gleiten“, sagte Nabu-Präsident Olaf Tschimpkeund formulierte das Ziel: „Mit ,OstseeLife’ wollen wir die Menschen für den Schutz der Meere begeistern.“
Eine mittlere fünfstellige Summe investierte der Nabu. Das ist es ihm wert, um Museumsbesucher zu informieren und aufzuklären. „Die Ostsee ist beliebt und gleichzeitig geht es ihr nicht gut. Schifffahrt, industrielle Fischerei, Plastikmüll und Unterwasserlärm machen den über 2700 Arten schwer zu schaffen“, sagte Nabu-Meeresschutzexperte Kim Detloff. „Einige von ihnen stehen bereits kurz vor dem Aussterben – wie der Ostseeschweinswal mit weniger als 500 verbliebenen Tieren.“
Rund 500 000 Besucher im Jahr
Dr. Harald Benke, Direktor des Deutschen Meeresmuseums, zeigte sich überzeugt, dass viele Menschen erreicht werden. „Hier kommt jeder vorbei“, sagte er über den Standort von „Ostsee Life“ in der zweiten Etage des Ozeaneums. Rund 500 000 Besucher zählt das Museum im Jahr. In starken Monaten, wie etwa im Juli und August, würden rund 100 000 Gäste begrüßt, ergänzte Pressesprecherin Diana Meyen.
Die VR-Brillen sollen vor allem jüngere Gäste ansprechen. Und so dauerte es am Tag eins nicht lange, bis sich die ersten Schüler die Brillen aufsetzten. Wie die achtjährige Siria Di Pasquale, die gerade mit ihrer Familie Ostsee-Urlaub macht. „Das war schön. Ich bin an einer Robbe vorbeigetaucht“, sagte sie im Anschluss. Auch ihr Vater Luca war angetan. „Ich bin selbst Informatiker und kann sagen: Das ist sehr gut umgesetzt. Die Navigation ist sehr einfach.“
Tatort-Kommissar gibt Infos
Blickt der abtauchende Besucher nach links, rechts, oben oder unten, dann dreht sich auch das Bild, was er sieht, in diese Richtung. Schaut er ein Objekt einige Sekunden an, kann er die Welt wechseln. Zudem kommen aus einem eingebauten Lautsprecher vertiefende Informationen: „Tatort-Kommissar“ Axel Prahl und die Schauspielerin Ulrike Knospe haben die begleitenden Texte zu fünf Lebensräumensowie über 40 Arten eingesprochen und erzählen Geschichten über Seehasen, Miesmuscheln und Fadenschnecken.
Was der „Taucher“ gerade sieht, ist auch auf einem Bildschirm daneben dargestellt. Neben den drei Brillen gibt es einen vierten Touchscreen, auf dem die Besucher sich die Welten ohne VR-Brille anschauen können.
Der VR-Abenteurer kann entweder wie ein Fisch in die LebensräumeSeegraswiese, Steinriff, Steilwand, Kreideriff und zu einem Schiffswrack abtauchen oder sich dank einer Luftaufnahme vor Vitt auf Rügen wie ein Vogel fühlen. Der Clou: „Alles sind echte Filmaufnahmen“, sagte Taucher und Filmemacher Holger Weber.
Seine Firma Kubikfotos ist in diesem Segment weltweit führend. „Wir haben 16 spezielle Kameras an einem Gestänge befestigt und damit Aufnahmen gemacht“, berichtete er. Gefilmt wurde vor Rügener Küsten in Dänemark. Dies gestaltete sich aufgrund von Strömungen und geringen Sichtweiten als Herausforderung. Das macht das Ergebnis umso beeindruckender.
Abtauchen ohne VR-Brille
Die Technik von „Ostsee Life“heißt Authentic VR und ähnelt modernen Technologien im Spielebereich. Betrachter mit einer VR-Brille können die virtuelle Welt mit ihren Augen steuern. Werden bestimmte Navigationspunkte fixiert, erhält der „Taucher“ Informationen rund um die Ostsee-Welt oder kann die Umgebung wechseln. Im Unterschied zu künstlichen Welten besteht „Ostsee Life“ aus eigens gedrehten 360-Grad-Filmen. Hunderte Foto- und Videosequenzen verschmelzen zu einer multimedialen Erlebniswelt. Zwei Wochen und mehr als zwei Dutzend Tauchgänge brauchten die Filmemacher, um fünf verschiedene Lebensräume ins Bild zu setzen. Darauf folgten mehrere Monate Arbeit am Computer.
Wer keine VR-Brille besitzt oder nutzen möchte, kann die virtuelle Ostseeauch auf dem Computer, Tablet oder Handy über 360-Grad-Aufnahmen erleben. Einfach hier klicken.
Quelle:
https://www.ostsee-zeitung.de/Vorpommern/Stralsund/Virtueller-Tauchgang-zu-Schweinswal-und-Schiffswrack
Fotos:
Rica Münchberger, Landesgeschäftsführerin des Nabu MV, ist ganz begeistert von der neuen Technik. An ihr schwimmt gerade ein Schweinswal vorbei. Quelle: Kai Lachmann
Stoßen an auf die neue Attraktion (v.l.): Grit Schneider (Presseabteilung des Nabu), Dr. Harald Benke (Direktor Deutsches Meeresmuseum), Olaf Tschimpke (Nabu-Präsident), Holger Weber (Taucher, Filmer und Techniker) und Dr. Kim Cornelius Detloff (Leiter Meeresschutz Nabu).
Eine VR-Brille ist dort, wo jeder vorbeikommt. Einmal um die Ecke gibt es zwei weitere. Holger Weber und Grit Schneider schweben mit ihnen virtuell durch die Ostsee und haben dabei etwas mehr Ruhe.