Die Wartung von Maschinen, Anlagen und Produkten ist ein wesentlicher Kostenfaktor für Unternehmen. Komponenten und Systeme müssen regelmäßig auf Verschleiß und Fehlfunktionen geprüft und bei Bedarf repariert werden. Ziel muss es daher sein, die Wartungstätigkeiten besser planen zu können, um eine möglichst unterbrechungsfreie Nutzung zu gewährleisten. Hierbei werden periodische Routineprozesse der vorbeugenden Wartung im Sinne einer vorausschauenden Wartung optimiert.
Die fortschreitende Digitalisierung führt zu einer immer stärkeren Durchdringung aller menschlichen Tätigkeitsbereiche industrieller als auch gesellschaftlicher Wertschöpfung. Die verbesserte virtuelle Darstellung der modellierten Realität (Virtual Reality) erlaubt eine vorausschauende Planung von Betriebszuständen oder Verschleißsituationen für die Maschinenwartung. Das hat bereits heute maßgeblichen Einfluss auf die Ressourcen- und Materialeinsatzplanung während des gesamten Lebenszyklus der in der Produktion eingesetzten Systeme und Komponenten.
Digitale Zwillinge erleichtern die Planung der Maschinenwartung
In der Fertigung eröffnet die zunehmende Vernetzung von Produktionseinheiten neue Geschäftsmodelle für alle Partner entlang der Wertschöpfungskette. Bereits im Entstehungsprozess neuer Fertigungsanlagen können die Partner auf digitale Abbilder, die sogenannten digitalen Zwillingen, von Komponenten, Maschinen und Anlagen inklusive ihrer Gebrauchscharakteristika zurückgreifen. Sie simulieren den Betrieb der Anlagen und wissen vorab, wo potenzielle Schwachstellen liegen. Die Zeiteinsparung bei der Maschinenwartung durch den Rückgriff auf die digitalisierten Abbilder der Produktionsanlagen kann bis zu 30 Prozent betragen.
Eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung dieser digitalen Zwillinge ist die Digitalisierung von allen relevanten Komponenten in der Produktion und den damit verbundenen Prozessen. Hierbei wird die physikalische Realität mittels Sensorik weitestgehend als digitales Modell abgebildet. Neue Vernetzungsstandards wie 5G oder WiFi6 erlauben zunehmend den technologisch anspruchsvollen, herstellerunabhängigen Datentransport in Echtzeit. So können Kamerabilder für die Objekt- und räumliche Lagebestimmung von Werkzeugen, Halbzeugen und Produkten genutzt werden, was die Qualitätssicherung erleichtert. Eine vernetzte Produktion ermöglicht außerdem den Einsatz skalierbarer Dienste, die mithilfe von künstlicher Intelligenz aus der Cloud oder „on the edge“, also vor Ort, die Maschinen steuern.
Preventive Maintenance verbindet digitale mit analoger Welt
Preventive Maintenance ist ein klassischer Anwendungsfall, bei dem die analoge und digitale Welt zur erweiterten Realität miteinander verschmelzen. Die industrielle Anwendung in Form von Mixed Reality profitiert von der Verfügbarkeit von 5G, denn Anwendungen für Augmented Reality und Virtual Reality erfordern eine hohe Datenrate mit gleichzeitig niedriger Latenz. So kann eine Echtzeitübertragung gewährleistet und können beispielsweise störende Kabelverbindungen bei Head Mounted Displays vermieden werden.
Eine beispielhafte Anwendung mit AR im industriellen Umfeld zeigt die Abbildung oben. Hierbei können vor Ort verfügbare Maschinen- und Prozessdaten nahtlos in Echtzeit vom Bediener durch einen virtuellen Bildrahmen betrachtet werden. Mühsame Fehlersuche bei der Maschinenwartung wird vereinfacht, indem Daten von Sensoren und Aktoren dreidimensional im Raum visualisiert werden. Dabei sind tiefgreifendere Informationen, wie Kabelbelegung und Dokumente, technische Zeichnungen und Modelle sowie Bedienungs- und Montageanleitungen direkt verfügbar und mit dem Objekt verknüpft.
Anleitung zur Fehlerbehebung bei der Maschinenwartung
Auch die automatische Anleitung zur Fehlerbehebung ist realisierbar, indem der Betriebs- oder Maschineningenieur durch bekannte Problemstellungen geführt wird. Der konkrete räumliche Anlagenbezug kann hierbei nicht nur durch Marker an der Maschine, sondern auch durch Lokalisierung per 5G gestützt erfolgen. Außerdem kann zur didaktischen Aus- und Weiterbildung ein durchgängiges MR-Konzept in Kombination mit einem mechatronischen Lernsystem eingesetzt werden, um dem Aus- und Fortzubildenden Inhalte und Zusammenhänge an der realen Maschine aufzuzeigen. Das wird erreicht, indem Prozesse visualisiert und damit begreifbar werden. Somit wird dem zukünftigen Bediener ein selbstgesteuertes und zielgerichtetes Handeln im Arbeitsalltag bei gleichzeitiger Qualifizierung und Kompetenzentwicklung ermöglicht.
In der virtuellen Realität lassen sich Abbilder von Produktionsstrukturen darstellen und simulieren – vom Projektarbeitsplatz mit kollaborativen Roboter bis hin zur komplexen industriellen Anlage. So kann sich der Produktionsverantwortliche schon mit Anlagen und Prozessschritten vertraut machen, die noch nicht umgesetzt wurden. Ein Beispiel hierfür ist die Implementierung der Abläufe in einer Robotersimulation, die dann später auf der realen Maschine nur noch parametrisiert werden müssen. 5G ermöglicht es hierbei, rechenintensive Operationen, wie Simulation und Rendering vor Ort auszuführen, um tragbare Ressourcen wie Tablets oder HMDs zu entlasten, da sie nur eine vergleichsweise geringe Rechenkapazität aufweisen.
Potenzial für die vollständig vernetzte Industrie
Die digitale Transformation stellt Unternehmen und Plattformbetreiber vor eine doppelte Integrationsaufgabe: Sie müssen das Zusammenspiel von Edge- und Cloud-Lösungen orchestrieren und auch über die Unternehmensgrenzen hinweg lösen. Industrie 4.0 macht diesen Wandel besonders deutlich. In der Produktion erzeugen unzählige Maschinen mit ihren Sensoren riesige Datenmengen, die von unterschiedlichen Herstellern verwaltet werden.
Aufgrund der technisch benötigten Nähe zur Produktion werden diese Daten direkt in Edge-Rechenzentren verarbeitet. Zur Analyse müssen die Daten der unterschiedlichen Maschinen nicht nur verbunden, sondern auch mit Geschäftsdaten in Verbindung gebracht werden. Am Ende dieses Prozesses ergeben sich Effizienzgewinne, Produktionsverbesserungen und zusätzliche Wertschöpfung.
Freie Verfügbarbarkeit von Daten
Eine Voraussetzung für die Fortsetzung der arbeitsteiligen Prozesse in der Wertschöpfungskette in der Industrie 4.0 liegt in der freien, sicheren und wirtschaftlich vorteilhaften Verfügbar- und Austauschbarkeit von Daten zwischen Marktteilnehmern. Europa steht hier vor der Herausforderung, sein liberales Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell fortzuentwickeln und eigene Konzepte und Regeln für die Nutzung kritischer Digitaltechnologien, zum Beispiel zur Erhebung, zum Austausch und zur Speicherung und Analyse von Daten, im Wettbewerb mit internationalen Oligopolen in der Plattformökonomie zu entwickeln und zu positionieren.
Um diese Herausforderung zu meistern, hat das Bundeswirtschaftsministerium das Projekt GAIX-X ins Leben gerufen. Ziel der Initiative ist es, eine vertrauenswürdige Cloud-Infrastruktur zu entwickeln, damit Partnern die Kooperation in betrieblichen Ökosystemen und der sichere Austausch von Betriebs- und Fertigungsdaten im Kontext neuer, serviceorientierter Geschäftsmodelle ermöglicht wird. Auf dieser Basis werden zukünftig eine Vielzahl neuer Anwendungen der künstlichen Intelligenz in der Fertigung entstehen.
Der Autor Dr. Michael Lemke ist Senior Technology Principal (ICT) bei Huawei Technologies Deutschland GmbH.
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