Das Start-up will Patienten in der virtuellen Realität gegen ihre Phobien helfen. Die erste große Krankenkasse hat das junge Team bereits überzeugt. Jetzt schalten sich neue Investoren dazu.
In der virtuellen Welt gegen Phobien vorgehen: Auf dieses Prinzip setzt das Start-up Sympatient. Die Hamburger entwickeln Programme, die Patienten bei der Behandlung ihrer Ängste helfen soll. Ob Panikanfälle, Furcht vor Menschenmassen oder weiten Plätzen oder die Angst vor sozialen Begegnungen: Fünf Millionen Menschen seien nach epidemiologischen Schätzungen in Deutschland von solchen Phobien betroffen, sagt Mitgründer Christian Angern. Doch Termine bei Therapeuten sind oft nur schwer zu bekommen. „Bisher hat es noch kein Anbieter geschafft, den therapeutischen Behandlungsstandard zu den Patienten nach Hause zu bringen“, sagt Angern, der das mit seinem Start-up ändern will.
Zahlreiche Start-ups haben sich jedoch dem Thema der psychischen Gesundheit verschrieben. Moodpath sieht sich als digitales Frühwarnsystem für Depressionen. Vor knapp einem Jahr wurde das Start-up von einer mittelständischen Klinikgruppe übernommen. Mindpax nutzt Fitness-Armbänder, um mögliche Stimmungsveränderungen bei Nutzern zu erkennen – und dann mit Übungen in der App gegenzusteuern. Viele Nutzer hat zudem die britische App Headspace, die Meditationen via Smartphone anbietet.
Mit der VR-Brille gegen die eigenen Ängste
Sympatient setzt neben dem Smartphone-Bildschirm auf die virtuelle Realität. Über eine Virtual-Reality-Brille, die Nutzern nach Hause geschickt wird, und eine eigene App werden die Patienten durch die Sitzungen geführt. In zwei bis acht Wochen will das Start-up so den Nutzern helfen. Mindestens drei Gespräche mit Therapeuten gehören dabei zum Behandlungsplan. Sogar das Erstgespräch kann jedoch via Videocall stattfinden. Dieser Telemedizin-Ansatz kann insbesondere in Zeiten von Kontaktbeschränkungen den Start einer Therapie erleichtern: Diese Option könne „die Barrieren für eine Psychotherapie erheblich senken und ist auch nach der Pandemie sinnvoll“, sagt Angern.
Eine erste Krankenkasse konnte Sympatient bereits überzeugen. Seit Anfang des Jahres bietet die Techniker Krankenkasse die VR-Therapie für ihre Versicherten an. „Es werden in Kürze weitere Kassen mit mehreren Millionen Versicherten unserem Versorgungsvertrag beitreten“, sagt Angern gegenüber WirtschaftsWoche Gründer.
Kooperationen mit Krankenkassen sind wichtig
Für Gesundheits-Start-ups sind solche Kooperationen existenziell: Es ist viel aufwändiger, Privatzahler von einer kostenpflichten App zu überzeugen, als auf die Multiplikationseffekte der Versicherungen zu setzen. Zumal Krankenkassen in der jüngeren Vergangenheit mutiger geworden sind, was Testläufe und reguläre Abrechnungen mit Digital-Health-Start-ups angeht. Zusätzlich prüft Sympatient, ob sich das Start-up für eine Kostenübernahme nach dem Digitale-Versorgung-Gesetz registrieren will.
Jetzt hat das aktuell elfköpfige Team eine Anschubfinanzierung über 1,6 Millionen Euro erhalten. Angeführt wird die Runde von der Schweizer Plattform Investiere. Dort sind mehr als 4000 Anleger registriert, die sich dann in kleineren Gruppen an Start-ups beteiligen. Sympatient habe „das Potenzial, Millionen Patienten mit der Bewältigung ihrer Ängste zu helfen, Kosten für die Gesundheitssysteme zu sparen und Therapeuten in der Therapie zu unterstützen“, sagt Investment-Manager Michael Lütolf. Zudem beteiligen sich mehrere Bestandsinvestoren erneut, darunter der Investitionsstarter Fonds Hamburg, der auch öffentliche Gelder der Hansestadt verwaltet.
Sympatient führt sowohl die Anti-Stress-App Otemi als auch die Angsttherapie Invirto. Die Finanzierung soll vor allem der Weiterentwicklung von Invirto zugutekommen. Zusätzliche Erkrankungen will das Start-up vorerst nicht mit der VR-Therapie angehen. „Leider sind Aufklärungs- und Behandlungsrate sowie die Destigmatisierung bei Ängsten noch lange nicht so weit fortgeschritten, wie es der Fall sein müsste“, sagt Angern. „Wir haben also noch einiges zu tun.“
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