Tove Marla Hortmann, Daniel Endress, MensHealth.de
VR-Brille statt Gym, Coaching-App statt echtem Trainer – bringt das wirklich was? Wie Virtual Reality Ihr Training besser machen kann und was Sie dabei beachten sollten
Die Digitalisierung macht auch an der Hantelbank nicht halt: Technische Neuheiten aus dem Bereich der Virtual Reality versprechen ein individuelles, abwechslungsreicheres Training. Aber was können die Innovationen und wie alltagstauglich sind sie?
Was ist eigentlich VR-Training?
Zu VR-Training gehören die unterschiedlichsten Bereiche, bei denen das klassische Workout durch irgendeine Software begleitet wird. Es gibt zum einen virtuelle Kurse im Fitnessstudio, wie Wexer bei FitnessFirst oder Cyberobics bei McFit, oder Videos für das Heimtraining, wie etwa von Fitness-Influencerin Sophia Thiel. Weitere Optionen: Training mit VR-Brillen, speziellen Bodensensoren oder online-kompatiblen Rollentrainern fürs Rennrad. Ob Sie in einer Gruppe oder als Einzelkämpfe ins Schwitzen kommen wollen, entscheiden Sie: VR-Workouts können Sie auch ganz alleine unter der Anweisung von virtuellen „Trainern“ absolvieren.
Was bringt Virtual Reality im Training?
So vielfältig wie das Angebot sind auch die Versprechen, die Hersteller geben, wie VR das Workout verbessern soll. Die wichtigsten Vorteile:
1. Sie bekommen ein individualisiertes Sportprogramm
Vor allem mit Coach-Apps können Sie sich relativ unkompliziert einen persönlichen Trainingsplan erstellen und bekommen manchmal kleine Challenges dazu. Apps sind außerdem verhältnismäßig günstig und Sie brauchen meist keine Extra-Ausrüstung. „Es gibt Formate für Einsteiger mit besonders ausführlichen Anweisungen und leichten Übungen, sowie für Fortgeschrittene mit anspruchsvollen Workouts“, so Veronika Pfeffer, Fitness-Expertin Pfeffer von FitnessFirst.
2. Sie können trainieren, wie, wann und wo Sie wollen
Mit Heimvideos oder frei wählbaren virtuellen Kursen im Fitnessstudio können Sie unabhängig von Ort und Zeit ein angeleitetes Workout bekommen. Ob auf Reisen, in der Mittagspause im Büro, mitten in der Nacht vor der Schichtarbeit – Sie müssen nicht auf angeleitete Workouts verzichten. Die Expertin: „VR-Fitness bietet vor allem viel beschäftigten Menschen die Chance, zu jeder möglichen Zeit zu trainieren“. Auch wer keine Lust auf überfüllte Kursräume oder prüfende Blicke von anderen hat, kann so allein und für sich trainieren.
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3. Sie können sich mit anderen messen
Sport mit einem Trainingspartner ist viel effektiver. Über einige Apps oder Fitnessgeräte, beispielsweise das Cycling-Programm Zwift, können Sie sich mit anderen verknüpfen und zusammen trainieren. Das pusht und macht viel mehr Spaß als allein. „Die virtuellen Trainer geben Anweisungen und motivieren Sie zudem beim Workout – das kann Sie antreiben“, sagt Pfeffer.
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4. Sie können zocken statt sich abzurackern
Virtuelles Boxen, Doodle-Jump auf einem Trampolin, vor Zombies weglaufen oder die Wii-Fernbedienung als Tennisschläger benutzen: Mit diversen Gadgets soll man gar nicht merken, wie man trainiert, weil das Spiel einfach Spaß macht. „Besonders Einsteiger können so Ihren Gefallen an Fitness finden: Man kann sich erstmal alleine daran gewöhnen und erste Erfolge erzielen, bis die Hemmungen vor einem Workout im Gym überwunden sind“, etrklärt die Expertin.
Das sind die Nachteile von VR-Training
All diese Vorteile klingen sehr vielversprechend, aber bevor Sie direkt in den Elektrofachmarkt Ihres Vertrauens rennen, sollten Sie Folgendes bedenken:
1. Die Hardware ist oft teuer
Klar, Gadgets wie die VR-Brille oder die online-kompatiblen Rollentrainer machen Spaß und lassen das Herz eines jeden Technikfans höher schlagen. Sie sind aber auch in der Regel teuer und dann auch noch oft auf nur eine Funktion beschränkt. Sie sollten sich also sehr sicher sein, dass Sie auch am Training dranbleiben. Billiger sind dagegen Apps fürs Smartphone, wie etwa Zombies, Run! oder Aaptiv
2. Das Zwischenmenschliche fehlt
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Anfeuerungsrufe von einer Computerstimme oder der Trainer auf einem Bildschirm sollen sie anleiten, motivieren und das Letzte aus einem herausholen, praktisch kommt aber nicht wirklich das richtige Feeling auf. Ein vom Band abgespieltes „Du schaffst das“ ist einfach nicht das gleiche wie ein echter Trainer, der mit Ihnen mitfiebert, während er Sie zu den letzten 5 Liegestützen anfeuert. Daher gilt: „VR-Coaches können keine Personal Trainer ersetzen. Fitnesstrainer können viel gezielter bei Übungen helfen und Sie auch besser motivieren“, so Pfeffer. Ausnahme sind hier Online-Trainings, da motivieren sich echte Menschen live gegenseitig.
3. Es ist nicht für Anfänger geeignet
Wenn Sie ohne Vorwissen eine Übung machen, bei der Sie keiner korrigieren kann, können Sie sich schnell verletzen. Es gibt aber auch Programme, die Ihnen genau dabei helfen, so etwa die D-Wall von TecnoBody, bei der Ihre Bewegungen auf einem Bildschirm gezeigt und korrigiert werden. Achten Sie gerade als Anfänger darauf, dass gerade bei komplexen Übungen wie etwa Kreuzheben SIe jemand kontroliiert. Bei virtuellen Trainingsplänen gilt: Steigern Sie Ihr Niveau langsam und überfordern Sie sich mit dem Plan nicht. „Ab einem gewissen Alter oder bei einer Krankheit sollte ein Arzt vorher einen Check machen, ob uneingeschränkt Sport gemacht werden darf“, rät Fitnessexpertin Pfeffer.
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Damit sich eine Investition in VR-Gadgets lohnt, sollten Sie sich also sicher sein, dass sie es auch wirklich benutzen. Wer den persönlichen Kontakt zu Trainern oder Trainingspartnern braucht oder mit einer neuen Sportart anfängt, für den ist VR-Training nicht geeignet. In jedem Fall empfehlen wir, die Technik vor dem Kauf in Ruhe auszuprobieren.
5 VR-Trainings im Test
Virtuelle Kurse in Fitnessstudios gibt es schon länger, hinzu kommen immer neue Apps, Games und neue Gadget. Doch sind auch alle Workouts effektiv? Geben sie den gewissen Kick? Wir haben 5 VR-Trainings getestet:
So läuft ein virtueller Kurs ab
Eine der gängigsten Formen des VR-Trainings sind die virtuellen Kurse im Fitnessstudio oder zu Hause. Unsere Autorin Tove hat einen Wexer–Kurs bei FitnessFirst ausprobiert:
„Der Raum ist komplett abgedunkelt und hat Lichteffekte, die für eine besondere Stimmung sorgen sollen. Vorne ist ein großer Screen, hinten verschiedene Fitnessgeräte. Meine Wahl fiel auf einen Cardio-Core-Kurs, der nur 15 Minuten geht und wofür ich nur eine Matte brauche. So muss ich mich nicht erst noch mit komplizierten Trainingsgeräten vertraut machen. Einen Trainer, der mir dabei hilft, gibt es ja nicht. So kann ich mich aber auch vor niemandem zum Deppen machen. Von der Leinwand beginnt ein Englisch sprechender Trainer, Aufwärmübungen anzuleiten. Zuerst fühle ich mich ein bisschen komisch, als ich da vollkommen allein herumhample. Es macht dann aber doch Spaß und der Trainer bringt mich auch ganz schön ins Schwitzen. So läuft’s ab: Der Trainer spult auf dem nicht so großen Bildschirm sein relativ unpersönliches Programm ab. Die angepriesenen Lichteffekte ändern an diesem Gefühl recht wenig.
Mein Fazit: Ein klarer Pluspunkt bei diesen Kursen ist, dass niemand meine ungelenken Bewegungen sehen kann. Außerdem gibt es eine riesige Auswahl und man kann sie beliebig oft wiederholen. Der Nachteil: Die Kurse ändern sich nicht, werden nach einigen Malen also langweilig. Das richtige Feeling kommt außerdem nicht auf. Wer also schon vorher Fan von videogeleitetem Heimtraining war, kommt mit den mühevoll ausgestatteten Räumen voll auf seine Kosten. Wer diese Form des Trainings aber eher unangenehm findet, wird sich hier auch nicht wohler fühlen.“
KI-Training
Der Personal Trainer Vi arbeitet mit so genannter künstlicher Intelligenz (KI). Die Technik befindet sich in einem schwarzen Silikonband, das man sich in den Nacken legt. Zwei Ohrhörer ragen an kurzen Kabeln zu beiden Seiten des Gerätes heraus. In ihnen stecken auch Sensoren, die den Puls messen und die Software mit Daten versorgen. Das Gerät ist auf getvi.com für rund 250 Dollar erhältlich. Die App ist gratis. Unser Redakteur Daniel Endress hat es ausprobiert:
„Nach dem Einschalten stellt sich mir eine weibliche Stimme als Vi vor und führt mich durch die Grundeinstellungen. Zuerst soll ich die App Vi Fitness aus dem Playstore herunterladen. Kein Problem, über Bluetooth verbindet sich die App mit dem Tool. So kommt Vi an Informationen zur Laufstrecke und dem aktuellen Wetter. Darüber hinaus lässt sich die App mit Spotify verknüpfen, so dass ich mit meinen eigenen Playlists laufen kann. Über die Sensoren in den Ohrstöpseln kontrolliert Vi meinen Puls. Ist er zu hoch oder zu niedrig, korrigiert mich die Stimme. Manchmal feuert sie mich auch an oder erteilt mir kleine Aufträge wie diesen: „Laufe genau im Takt der Musik“.
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Die ersten Tage mit Vi sind ungewohnt. Die Stimme stellt Fragen, die ich beantworten soll. Die Sprachsteuerung funktioniert dabei einwandfrei, sofern man gut Englisch spricht. Auf Deutsch ist dieser Personal Trainer noch nicht erhältlich. Allerdings ist der Sprachschatz der KI noch ein wenig begrenzt. Dank verschiedener Aufsätze passen die Ohrhörer gut und lassen sich angenehm tragen.
Mein Fazit : Vi ist ausgesprochen unterhaltsam und hat stets ein paar interessante Informationen parat. Die Anfeuerungsrufe einer Computerstimme haben bei mir allerdings nicht wirklich gewirkt. Seine Stärken kann der KI- Trainer insbesondere dann voll ausspielen, wenn man häufiger neue Laufstrecken ausprobiert oder immer mal wieder in anderen Städten unterwegs ist.“
Boxen mit VR-Brille
Einen ganz anderen, spielerischen Ansatz verfolgt das Fitness-Game BOXVR. Hier trägt man eine VR-Brille und benutzt dazu noch zwei spezielle Controller. Das Spiel kostet knapp 20 Euro, die VR-Ausrüstung mindestens 400 Euro. Daniel hat das Spiel ausgetestet:
„Bei BOXVR soll man am besten gar nicht merken, dass man Sport treibt. Das Spiel läuft über ein Computer-Programm und ist sehr intuitiv. Man boxt gegen bunte Kugeln, die auf einen zukommen, und muss mit Kniebeugen Balken ausweichen. Je härter ich zuschlage, desto mehr Punkte kriege ich. Die Geschwindigkeit der Kugeln hängt von der jeweiligen Musik ab. Und die kann ich in Form von MP3-Dateien selbst ins Spiel einbauen.
>>> Fitness-Boxen im Kurs-Test
Was für Betrachter von außen so aussieht wie eine schlechte Bruce- Lee-Imitation, ist für mich anstrengender als gedacht. Schon nach dem ersten 3-Minuten- Track rinnt der Schweiß von der Stirn. Die VR-Brille mit den integrierten Kopfhörern sitzt dennoch angenehm und ist kaum spürbar. Voll konzentriert versuche ich, die Bälle mit aller Kraft zu treffen. Endgültig geweckt ist mein sportlicher Ehrgeiz, nachdem einer der Kollegen einen Testdurchgang im selben Modus absolviert und auf Anhieb eine höhere Punktzahl erreicht hat als ich. Den toppe ich!
Mein Fazit: BOXVR hat das Zeug dazu, das neue Party-Spiel zu werden. Über einen Computer-Monitor oder Fernseher können Freunde zusehen, wie ich mich im Spiel schlage. Sobald hier der erste Punktestand gesetzt ist, beginnt die Jagd auf den Highscore, und das macht echt Spaß!“
Personal Trainer als App
Eine Personal-Trainer-App bietet Workouts für die Hosentasche an. Für den Test gibt es die App Aaptiv, einen Allrounder mit diversen Trainingsmodi. Aus mehreren Hundert Workouts von über einem Dutzend Trainern kann sich jeder überall und individuell ein passendes Training zusammenstellen. Von Yoga bis Muskelaufbau ist alles dabei. Aaptiv kann abonniert werden, das kostet ungefähr 100 Euro im Jahr. Daniel testete die App:
„Die Bedienung gelingt mir auf Anhieb, und die App sieht echt gut aus. Sie ist jedoch nur auf Englisch erhältlich. Wenn der Trainer die einzelnen Körperteile durchgeht, die er in der Session bearbeiten möchte, geht schon das über einen durchschnittlichen Grundwortschatz hinaus. Die Verständlichkeit leidet auch unter der Musik, die alle Anweisungen begleitet. Der Coach feuert mich zwar immer wieder an, aber mit den Übungen fühle ich mich allein gelassen. Kurze Videos oder Bilder wären da hilfreich.
>>> Die Men’s Health Personal Trainer App
Mein Fazit : Sympathische Trainer und die große Übungsauswahl sprechen für die App. Doch die Anfeuerung durch den Coach zündet bei mir nicht so richtig. Auch die Musik – die aktuellen Hits aus den Charts – trifft nicht ganz meinen Geschmack. Und die Erklärung der Übungen könnte verständlicher sein.“
Online-Competition mit Zwift
Zwift ist ein MMOG (Massively Multiplayer Online Game) für Rennradfahrer, das sich ideal fürs Wintertraining eignet. Die Software ermöglicht es, von zu Hause aus Rennen gegen Radler in der ganzen Welt zu fahren – in Echtzeit. Um mit Zwift durchzustarten, benötigen Sie ein Rennrad und einen kompatiblen Rollentrainer (eine Liste finden Sie im Netz unter support.zwift.com). Zwift kostet 15 Euro im Monat. Für einen geeigneten Rollentrainer muss man allerdings mindestens 400 Euro ausgeben. Lohnt sich die Investition? Das sagt Daniel Endress:
„Auf einem Bildschirm sehe ich meinen animierten Avatar auf einer virtuellen Rennstrecke. Geht’s bergauf, erhöht der Trainer den Widerstand, geht es bergab, kann ich ganz locker rollen. Neben mir sehe ich meine Mitspieler auf der Strecke. Ihre Namen werden mir direkt über deren Köpfen angezeigt, und über ein kleines Chatfenster am Rande des Bildschirms kann ich sogar mit den anderen Fahrern kommunizieren. Mit dem Gegner direkt vor der Nase lassen sich noch mal ganz andere Kräfte mobilisieren. Denn selbst wenn es nur um Punkte in einem virtuellen Ranking geht: Letzter will ich bei Zwift keinesfalls werden. Darüber hinaus ist die Community super. Als ungeübter Radfahrer bin ich dem Feld meist hinterhergefahren, trotzdem bekam ich von meinen Mitstreitern Lob und Anfeuerungen. Das ist Motivation pur und pusht ungemein!
Mein Fazit: Das Game hat alles, was von innovativen Fitness-Trends heute erwartet wird: soziale Interaktion, Abwechslung, neue Technologie.“
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Fazit: Virtuelle Trainer können echte nicht ersetzen
„VR wird das Live-Training nicht verdrängen“, sagt Pfeffer. Ob man lieber zu Hause oder im Fitnessstudio trainiert, ist Typsache. Im Studio sind die Live-Kurse immer noch wesentlich gefragter als die virtuellen. Sie haben einen Ansprechpartner, jemanden, der Ihnen die Übungen genau erklären kann und Sie persönlich motiviert. Gerade Sportarten wie Bodyweight-Training werden auch weiterhin vor allem von Live-Trainern gegeben werden“ Aber: Virtuelles Training hat großes Potential, Sport vielseitiger und personalisierter zu gestalten und dabei Spaß zu machen. Und ist ideal für Menschen, die flexibel überall trainieren wollen.
Quelle:
https://www.menshealth.de/artikel/so-verbessert-virtual-reality-ihr-training.514928.html