Reise in die Geschichte: „TimeRide“ bietet virtuelle Rundfahrten durch das historische Köln an. Ab dem Sommer soll es in das Köln der „goldenen 20er-Jahre“ gehen. Wie war es damals?
Für die Kölnerinnen und Kölner war das Jahr 1926 ein besonderes: Nachdem britische Truppen die Stadt im Zuge des Ersten Weltkrieges besetzten, wurden die letzten Soldaten des British Empires im Januar 1926 aus Köln abgezogen. Von den Kölnern wurde das mit spontanen Freudenfesten gefeiert. Der Abzug der britischen Truppen bedeutete nämlich für die Stadt einen Neuanfang: Während des Ersten Weltkrieges, der seit 1914 in Europa wütete, und der anschließenden Okkupation durch die Siegermächte hatte es in Köln keinen Karneval gegeben – nachdem die Briten aus Köln abzogen, brach sich das Kölsche Lebensgefühl wieder Bahn.
Virtuelle Zeitreisen durch das alte Köln
Heute, fast 100 Jahre später, gibt es nur noch wenige Zeugnisse aus jener Zeit. Vereinzelte Filmaufnahmen vermitteln zwar einen Eindruck des Kölns der „goldenen 20er“, können diese Ära aber nicht so richtig erfahrbar machen. Das Unternehmen „TimeRide“ will das ändern. Seit ihrer Gründung 2016 bietet die Firma von Jonas Rothe virtuelle Zeitreisen in verschiedenen Städten an. Neben Berlin, Dresden, München und Frankfurt am Main betreibt „TimeRide“ auch einen Standort in Köln – am Alter Markt, mitten im Zentrum des historischen Stadtkerns.
Eine Straßenszene am Alten Markt (Screenshot aus VR-Erlebnis): Das Lebensgefühl der Kölner soll greifbar werden. (Quelle: TimeRide)
Teilnehmer der virtuellen Zeitreisen nehmen in einer Replik der ersten elektrischen Straßenbahn Kölns Platz und können die Stadt durch Virtual Reality-Brillen hautnah erleben. Während die Straßenbahn durch das Köln der 20er-Jahre „fährt“, können die Fahrgäste ihren Blick in 360-Grad durch das animierte Köln schweifen lassen – und dabei einiges entdecken. „Die Fahrt beginnt am Alter Markt und endet am Neumarkt“, erklärt Pressesprecher Julian Herbig, „dabei passiert die Straßenbahn unter anderem den alten Hauptbahnhof Kölns und natürlich auch den Dom.“
Zwei Protagonisten führen erzählerisch durch Köln
Auf diese Weise entsteht ein authentischer Blick auf die Architektur der Stadt und auf die Menschen, die sie zu dieser Zeit bewohnten. Während der viertelstündigen Fahrt verfolgen die Teilnehmer die Geschichten des Bahnfahrers Pitter und der Hutmacherin Tessa, deren Mann im Ersten Weltkrieg auf dem Schlachtfeld zurückblieb: „Es sind zwar die goldenen 20er, die wir zeigen, aber damals war eben auch nicht alles golden.“ So können die Zeitreisenden Kriegsversehrte in den Gassen der Altstadt ausmachen und Zeugen der ärmlichen Verhältnisse werden, die in Teilen der Domstadt herrschten.
Der Kölner Hauptbahnhof vom Dom aus gesehen: So sah das Gebäude in den 1920er Jahren aus. (Quelle: TimeRide)
Aber auch die wieder aufblühende Lebensfreude der Kölner wird greifbar. So führt die virtuelle Straßenbahnfahrt an spontanen Karnevalsfeiern und -umzügen vorbei, zeigt die elegante Mode der 20er und passiert historische Bauwerke, die heute nicht mehr Teil des Stadtbildes sind. So wie etwa das Gasthaus „Ewige Lampe“ in direkter Nähe zum Dom, das in jener Zeit der Treffpunkt von Intellektuellen und Künstlern war.
Während der Fahrt sorgen das Ruckeln des Waggons und der entgegenkommende Fahrtwind für ein authentisches Erlebnis: „Die Kölner lieben ihre Stadt und identifizieren sich Stark mit ihrer Geschichte und Kultur“, sagt Herbig, „und die Illusion nimmt einen wirklich toll mit und versetzt einen in das alte Köln.“
„Das Lebensgefühl macht die Stadt bis heute aus“
In Köln gibt es „TimeRide“ schon seit 2017. Zunächst zeigte die virtuelle Stadtrundfahrt das Köln des Jahres 1909, also zur Kaiserzeit und Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
Die VR-Fahrten durch die historischen Stadtbilder bei „TimeRide“ werden von der Film und Medien Stiftung NRW gefördert und stellen den Höhepunkt der insgesamt dreiviertelstündigen Zeitreise dar. Bevor die Teilnehmer im Nachbau der Straßenbahn Platz nehmen, erfahren sie vor historischer Kulisse mehr über die Zeit, in die sie mithilfe von VR-Brillen versetzt werden: „Wir vermitteln auch Hintergrundwissen und wollen den Menschen nicht nur das Stadtbild, sondern auch das damalige Lebensgefühl näher bringen“, sagt Herbig, der selbst Historiker ist. „Die Atmosphäre und das Lebensgefühl sind schließlich Dinge, die die Stadt bis heute ausmachen.“
Eröffnung im Sommer
Momentan befindet sich die neue Zeitreise durch das alte Köln noch im Aufbau. Mit einer Eröffnung rechnen Julian Herbig und Geschäftsführer Jonas Rothe im Sommer – sofern die Corona-Pandemie dann einer Premiere des neuen Angebots nicht im Wege steht.
Quelle:
Passagiere im originalgetreuen Nachbau einer historischen Straßenbahn (Aufnahme vor Corona-Pandemie): Mit der VR-Brille geht es auf die Tour. (Quelle: TmeRide)