Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat ein „Virtual Reality“ (VR)-System zugelassen, das Patienten mit chronischen Kreuzschmerzen eine kognitive Verhaltenstherapie mit Entspannungsübungen in Eigenregie ermöglicht. Grundlage bilden die Ergebnisse einer placebokontrollierten Studie, die kürzlich im Journal of Medical Internet Research (2021; DOI: 10.2196/26292) publiziert wurden.
Das von der Firma AppliedVR aus Los Angeles entwickelte System besteht aus einem Virtual-Reality-Headset und einer Software, die ein Übungsprogramm enthält. In 56 „immersiven“ VR-Sitzungen, die jeweils zwischen 2 und 16 Minuten dauern, tauchen die Personen in eine künstliche Welt ein. Im Verlauf von 8 Wochen erlernen sie dort bestimmte Techniken, die ihnen den Umgang mit den Schmerzen erleichtern sollen.
Wie bei einer kognitiven Verhaltenstherapie üblich werden die Teilnehmer zunächst über die Hintergründe der Schmerzentstehung informiert. Nach dieser „Schmerzerziehung“ lernen sie Strategien zur Schmerzvermeidung kennen.
Dazu gehören Entspannungsübungen: In der VR-Immersion werden sie stufenweise von aktiven Szenen in eine ruhige Umgebung geführt, die ihnen die Vorteile einer progressiven Entspannung zeigen. Es folgen Achtsamkeitsübungen, die von hochauflösenden 360-Grad-Videos mit therapeutischem „Voice-Overs“ sowie Musik begleitet werden.
Ein weiterer Bestandteil des Programms sind interaktive Spiele, in denen die Patienten die Fähigkeit trainieren, den Fokus vom Schmerz weg zu verlagern. Darüber hinaus enthält das Programm ein atembasiertes Biofeedback-Training, in denen die Benutzer ihre Fähigkeiten einer Zwerchfellatmung und einer „parasympathischen“ Kontrolle verbessern.
Das EaseVRx-System wurde in einer randomisierten, doppelblinden Studie an 179 Erwachsenen mit chronischen Kreuzschmerzen klinisch getestet. Alle Teilnehmer erhielten dasselbe VR-Headset zugeschickt. Nur eine Gruppe nahm an dem „immersiven“ 3-D-Programm teil. Der anderen Gruppe wurden über die 3-D-Brille lediglich 2-dimensionale Tier- und Naturfilme vorgeführt, die von einer neutralen Musik unterlegt waren. Die Patienten lernten in der Kontrollgruppe auch keine Entspannungsübungen.
Laut den von Beth Darnall von der Stanford University School of Medicine in Palo Alto/Kalifornien publizierten Ergebnissen berichteten am Ende der Behandlung 66 % der Teilnehmer des VR-Programms über eine Schmerzreduktion um mehr als 30 % verglichen mit 41 % der Teilnehmer in der Kontrollgruppe. Bei 46 % der VR-Teilnehmer war es sogar zu einer Schmerzreduktion um mehr als 50 % gekommen im Vergleich zu 26 % der Teilnehmer in der Kontrollgruppe.
Am Ende stuften die Teilnehmer den Rückgang der Schmerzintensität auf einer 10-Punkte-Skala im Durchschnitt mit 1,31 Punkten ein. Die Beeinträchtigung von täglichen Aktivitäten, Stimmungslage, Schlaf und die Beteiligung der Schmerzen an Stressreaktionen (in der „Defense and Veterans Pain Rating Scale“) waren ebenfalls zurückgegangen.
Die schmerzlindernde Wirkung war nach Angaben der FDA auch in den Nachuntersuchungen nachweisbar, die 1, 2 und 3 Monate nach Ende der Behandlung stattfanden.
Schwere Nebenwirkungen waren in der Studie nicht aufgetreten. 20,8% der Teilnehmer empfanden die Nutzung des Headsets allerdings als unangenehm, 9,7 % berichteten über eine Bewegungskrankheit mit Übelkeit.
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