Das Metaverse-Selfie von Mark Zuckerberg sorgte für Spott im Netz. Soll die Revolution des Internets wirklich einem 20 Jahre alten Computerspiel mit Comic-Look gleichen? Ganz so leicht ist es nicht – in 3D-Welten gelten andere Design-Regeln als die aus dem Game-Design.
Virtuelle Welten sind der nächste Schritt des Internets. Mit immersiven Technologien wie Virtual und Augmented Reality kommt die dritte Dimension in alltägliche digitale Anwendungen – ob beim Shopping, bei Konferenzen oder für Produkt-Showcases. Der Hype verleitet zur Annahme, dass das Metaverse, wie Autor Neal Stephenson es ursprünglich nannte, realistisch genug erscheint, um uns wahrhaftig in die 3D-Welt abtauchen zu lassen.
Unter diesem Gesichtspunkt wirken einige zeitgenössische Beispiele für das Metaverse fast enttäuschend. Viele haben erwartet, dass sich Meta (ehem. Facebook) – mittlerweile über ein Jahr nach der Neuausrichtung zum Anbieter virtueller Welten – mit atemberaubenden Larger-than-life-Erfahrungen brüsten würde. Stattdessen erntete Konzernchef Mark Zuckerberg, als er vergangenen Herbst sein Metaverse-Selfie veröffentlichte, vor allem Spott über eine Optik, die einige Menschen an 20 Jahre alte Spiele wie Second Life oder Animal Crossing erinnerte. Zu Recht?
Die Welt mit anderen Augen sehen
Gamer erinnert die Debatte an das Grafik-Wettrüsten der Computerspiel-Branche, das schon ähnliche Diskussionen entfachte. Aktuelle Hits wie Red Dead Redemption 2 oder The Last of Us zeigen, dass die Gaming-Branche offenbar bereits im Nahezu-Fotorealismus angekommen ist. Wieso also nicht das Metaverse?
Zunächst einmal erfüllen Metaverse-Anwendungen meist einen anderen Zweck als Computerspiele. Natürlich haben sie viele Gemeinsamkeiten wie den Gamification-Aspekt. Aber letztendlich geht es im Metaverse um möglichst viel Teilhabe in einem großen Kreis von Nutzern, unabhängig von der Plattform oder Hardware, die zum Einsatz kommen und auch ohne viel Erfahrung im 3D-Umfeld.
3D-Grafiken auf jedem Gerät
Um zum Massenprodukt zu werden, sollten Metaverse-Anwendungen also nicht nur auf teuren Spielekonsolen und Gaming-PCs laufen, sondern auch auf Tablets, Smartphones, Laptops und Standalone-Headsets. Damit die 3D-Immersion – also die Wahrnehmung, räumlich in der virtuellen Welt zu sein – intakt bleibt, ist eine hohe Bildwiederholfrequenz erheblich wichtiger als Detailreichtum in den Kulissen, Gegenständen und Avataren. Nur so ist die Erfahrung beim Bewegen des Kopfes angenehm flüssig.
In der Praxis bedeutet das, dass zwei separate, hochauflösende Bildsignale – eines pro Auge – mit einer Wiederholfrequenz von mindestens 60 Hertz gerendert werden müssen. Auch wenn moderne Kompressionsverfahren in der Lage sind, die Grafikhardware zu entlasten, bleibt VR eine Herausforderung fürs Rendering, die man nicht unterschätzen sollte.
Der Immersion schadet es nicht
Die gute Nachricht ist: Es ist leichter, als man glaubt, selbst in eine unrealistisch aussehenden Welt einzutauchen. Eine flüssige Bildwiederholrate, eine plausible 3D-Simulation für beide Augen und, je nach Anwendung, Arme und Beine am Avatar, die sich wie die eigenen bewegen – all diese Faktoren tragen am meisten zur Immersion bei. Wenn für sie gesorgt ist, ist es auch kein Nachteil, wenn die Umgebung nach Computerspiel-Maßstäben veraltet aussieht.
Wer schon mal eine VR-Brille angezogen hat, kann dies bestätigen: Die Illusion gelingt auch, wenn alles um uns herum beispielsweise eine Comic-Optik hat. Bedeutet das also, dass alle 3D-Lösungen in der Zukunft aus technischen Gründen aussehen werden, wie es Horizon Worlds heute tut? Ist kein Platz für Realismus in der virtuellen Realität?
Kriterien für Metaverse-Design
Es kommt darauf an. Metaverse-Anwendungen haben viele Einsatzgebiete: Digitale Konferenzen, Onlinehandel, Produktpräsentationen, virtuelle Besichtigungen, Spiele und mehr. Jeder dieser Bereiche hat unterschiedliche Anforderungen daran, was die virtuelle Welt wie detailliert wiedergeben soll. Wir müssen uns also die Frage stellen, worauf es wirklich ankommt in unserer virtuellen Welt.
Möchte ich beispielsweise eine Lösung für virtuelle Meetings designen, bei der großer Wert auf Gestik und – je nach unterstützter Hardware – Mimik der Avatare liegt, sind Objekte und Kulissen eher nebensächlich. Hier kann ein Smartphone auch vereinfacht durch einen schwarzen Quader dargestellt werden. Auf der anderen Seite stehen 3D-Produktpräsentationen, die schon heute in vielen Unternehmen genutzt werden. Da ist es unerlässlich, dass 3D-Modelle von Produkten exakt so aussehen wie in der Realität. Im Gegenzug sind dafür Umgebungen und Hintergründe weniger detailliert.
In jedem Fall ist das Verfahren das Gleiche: Entwickler konzentrieren sich darauf, was der Fokus der Metaverse-Anwendung sein soll und konzentrieren sich darauf, dass dieser Fokus angemessen dargestellt werden kann. Im Umkehrschluss identifizieren sie die nebensächlichen Aspekte, die sich reduzieren lassen. Um die Kompatibilität mit einem breiten Spektrum an Hardware zu sichern, testen die Experten die Lösung sowohl mit den modernsten VR-Brillen als auch mit durchschnittlichen Smartphones und Laptops. Nur wenn die Erfahrung auf allen Geräten flüssig ist, ist sie bereit für den Einsatz.
Anwendungsspezifische Lösungen
Wozu dient meine Metaverse-Lösung? Was muss realistisch sein und was darf abstrakt sein? Über welche Hardware sollen Nutzer verfügen? Wer all diese Fragen zu beantworten weiß, hat ein solides Fundament für das visuelle Design der 3D-Welten. Aus diesem Grund werden wir in der Zukunft nicht unbedingt mit einem einzigen, allumfassenden Metaverse leben, sondern mit sehr unterschiedlich gestalteten Welten, die alle ihren jeweiligen Zweck optimal erfüllen.
Quelle:
Letztendlich geht es im Metaverse um möglichst viel Teilhabe in einem großen Kreis von Nutzern, unabhängig von der Plattform oder Hardware, die zum Einsatz kommen.(Bild: Rooom)