Obwohl der Hype um Blockchain, Metaverse und Web3 vom Hype um Künstliche Intelligenz überholt wurde, bleibt Web3 für Marken in verschiedenen Branchen relevant.
Die rasante Entwicklung digitaler Technologien hat neue Marketingdimensionen eröffnet, insbesondere durch das Aufkommen von Blockchain-basiertem Web3. Dieser Artikel beleuchtet zum einen die Rolle des Immersive Marketing und die Markenentwicklung in virtuellen Umgebungen, nämlich die erweiterte Reichweite und die tieferen Kundenbindungen, die durch die virtuellen Umgebungen ermöglicht werden. Zum anderen adressiert er die rechtlichen Herausforderungen, die sich daraus ergeben.
Immersive Marketing: Die neue Realität der Marken
Immersive Marketing bezeichnet Strategien, die darauf abzielen, Konsumenten vollständig in eine Markenwelt eintauchen zu lassen. Durch Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) können Unternehmen massgeschneiderte, interaktive Erlebnisse schaffen, die tief in Erinnerung bleiben. Von virtuellen Showrooms bis hin zu AR-Kampagnen – die Möglichkeiten sind nahezu grenzenlos.
Immersive Marketing bietet durch die Integration von Blockchain-Technologie und Non-Fungiblen Tokens (NFT) zahlreiche Vorteile. Diese Technologien ermöglichen eine digitale Inhaberschaft, die neue „Phygital“ Erfahrungen eröffnet, in der physische und digitale Welten verschmelzen. Dadurch sind Unternehmen in der Lage, näher an ihren Kunden zu sein und deren Erlebnis individuell zu gestalten.
So haben sich neben Mode und Luxury Brands auch die Gaming Industrie, Künstler, Automobilindustrie und Sportakteure für Web3 als Marketing- und Vertriebskanal entschieden.
Non-Fungiblen Tokens (NFT) als Echtheitszertifikate
Bei einem NFT handelt es sich um ein einzigartiges digitales Zertifikat, das in einer Blockchain registriert ist und dazu dient, die Inhaberschaft an einem Vermögenswert, beispielsweise an einem digitalen Kunstwerk festzuhalten, oder das als Echtheitszertifikat für eine physische Ware wirkt (IGE Markenrichtlinien, Teil 2 Ziffer 4.16.2).
In Kombination mit Near Field Communication (NFC) Chips oder mit Radio frequency identity (RFID) Chips werden NFTs von Luxury Brands als Echtheitszertifikate benutzt. Sie ermöglichen damit die Nachverfolgbarkeit der Originalwaren und dienen somit der Prävention und Bekämpfung der Piraterie.
Beispiele solcher Authentifizierungsplattformen sind das in Zürich ansässige Luxus-Tech-Startup Vivents, das gleichzeitig auch ein Marketplace ist, oder das Aura Blockchain Consortium, welches die Einführung von Blockchain-Lösungen zur Nachverfolgbarkeit von Originalwaren für die Luxusindustrie weltweit vorantreibt.
Bekannte Beispiele aus der Praxis
Luxury Brands
Mercedes-Benz war einer der ersten Automobilhersteller, der einen VR-Showroom einrichtete, in dem Online-Besucher detaillierte Darstellungen des neuesten und luxuriösesten Exterieurs und Interieurs sehen können.
Nike und ihre Nike RTFKT NFTs für digitale Sneaker, Prada und ihre Prada Timecapsule, Balmain und ihre limitierten NFTs X SPACE RUNNERS sind nur einige der zahlreichen Beispiele für erfolgreiches Marketing im Web3.
Die Luxus-Marke Lalique hat das Phygital-Parfüm «Les Muses Rose Nebula» in Zusammenarbeit mit Vivents erstellt. Lalique verfolgt mit ihrer globalen Digitalstrategie das Ziel, einzigartige und exklusive Erlebnisse für eine engagierte und Technologie-affine Zielgruppe zu schaffen. Keller Schneider konnte hierbei markenrechtlich unterstützen und sicherstellen, dass Lalique eine adäquate Schutzstrategie verfolgt.
Sport
Auch Sportorganisationen und –vereine nutzen NFTs, um Fan-Engagement zu intensivieren und neue Einnahmequellen zu erschliessen. Durch NFTs können Fans digitale Erinnerungsstücke besitzen, an virtuellen Veranstaltungen teilnehmen oder exklusive Zugänge erhalten. Ein Beispiel hiervon ist NBA Top Shot, eine Plattform, auf der Fans offizielle NBA-Sammelobjekte, die digitale Videoclips von Spielhighlights beinhalten, kaufen, verkaufen und handeln können. Die Swiss Ice Hockey Federation SIHF lancierte Eishockeyscheiben «Eisgenoss», die den Besitzern ermöglichen, exklusive Inhalte freizuschalten, an einzigartigen digitalen Erlebnissen teilzunehmen und über Vivents Blockchain Plattform auf bestimmte Rechte zuzugreifen, die mit dem Eisgenoss verbunden sind.
Kunst
Die Blockchain-Technologie und NFTs erlauben Künstlern, ihre digitalen und physischen Kunstwerke direkt zu vermarkten, ohne auf Zwischenhändler angewiesen zu sein. NFTs sichern Inhaberschaft an digitalen Kunstwerken, die sonst leicht kopierbar wären. Ausserdem können NFTs als digitale Zertifikate für physische Kunstwerke dienen, was deren Handel online und damit weltweit vereinfacht. Im Bereich Kunst ist u.a. die Sicherstellung der Top Level Domain (TLD) .io von grosser Wichtigkeit. Keller Schneider verfügt auch in diesem Bereich über umfangreiche Erfahrung.
Rechtliche Aspekte in virtuellen Umgebungen
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
Aufgrund der fortlaufenden Entwicklung gibt es noch keine rechtliche Sicherheit zur Einordnung von NFTs und Smart Contracts. Daher ist es dringend empfehlenswert, die AGB der Applikationenanbieter zu prüfen, um eigene Rechte und Pflichten zu verstehen. Für die Anbieter der Blockchain-basierten Lösungen ist es ihrerseits wichtig, AGB zu haben, die das Faktische abbilden und Rechtssicherheit und –klarheit über Rechte und Pflichten der Beteiligten verschaffen. Dabei ist es wichtig, auch das anwendbare Recht sowie den Gerichtsstand klar zu definieren.
Durch Einbau von entsprechenden Lizenzklauseln können die Rechteinhaber mittels Smart Contracts Lizenzgebühren bei jeder Weiterveräusserung erhalten. Smart Contracts sind dabei Software, die dazu bestimmt sind, Aktionen gemäss den Bedingungen der zugrundeliegenden Vereinbarung (oft die zugrundeliegenden AGB) automatisch auszuführen.
Web3 Domain Namen
Die Durchsetzung der Marken- und Designrechte bei einer unberechtigten Domain Namen Besetzung (Squatting) ist in Web3 mangels zentraler Verwaltungsorganisation (vergleichbar mit ICANN für Internetdomain Namen) sowie aufgrund der vielfachen Anonymität der Beteiligten in Web3 signifikant erschwert. Vielfach findet das Prinzip «First come, first served» Anwendung.
Deswegen ist für in Web3 tätige Schutzrechteinhaber die frühzeitige Sicherung entsprechender Web3 Domain Namen entscheidend.
Top Level Domain .io
Im Bereich Kunst ist u.a. die Sicherstellung der TLD.io von grosser Wichtigkeit. Die TLD.io ist aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit „I/O“ für Produkte der IT-Industrie wie z.B. für NFT Plattformen oder andere Web3 Anwendungen vorgesehen. «I/O» (Input/Output) bezeichnet nämlich jeden Vorgang, jedes Programm oder jedes Gerät, das Daten zu oder von einem Computer überträgt. Keller Schneider verfügt in diesem Bereich über umfangreiche Erfahrung für die Unterstützung ihrer Klienten.
Markenrechtliche Klassifizierung von Produkten und Dienstleistungen
Für die Marken- und Designinhaber, die ihre Marken und Designs in virtuellen Umgebungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb der virtuellen Güter und/oder Dienstleistungen nutzen möchten, ist es wichtig, die Marken- und Designstrategie auszuarbeiten, eigene Schutzrechteportfolios zu prüfen und ggf. Marken für virtuelle Güter und/oder Dienstleistungen anzumelden.
Auch Markeninhaber, die in naher Zukunft noch kein Marketing oder keinen Vertrieb über Web3-Anwendungen planen, stehen vor einer wichtigen Entscheidung, besonders wenn die Marke keine weitreichende Bekanntheit im Sinne von Art. 15 MSchG und damit keinen klassenübergreifenden Markenschutz geniesst. Ohne einen solchen erweiterten Markenschutz stellt sich die Frage, ob eine defensive Markenanmeldung sinnvoll ist. Eine solche Anmeldung verhindert, dass Dritte die Marke in virtuellen Umgebungen beanspruchen. Andererseits muss eine Marken innerhalb von 5 Jahren nach der Registrierung benutzt werden, um nicht gelöscht zu werden. Die Frage, ob eine Benutzung der Marke in der analogen Welt für eine rechtserhaltende Benutzung der Marke auch für die beanspruchten virtuellen Waren und Dienstleistungen ausreicht, ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt.
Im Zusammenhang mit Web3 kommen für Schweizer Marken folgende Nizza Klassen in Betracht (Markenrichtlinien des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE), Teil 2 Ziffer 4.16.2):
- Klasse 9 für virtuelle Waren, die näher spezifiziert werden müssen; Beispiele für zulässige Formulierungen: «herunterladbare virtuelle Bekleidung», «herunterladbare virtuelle Spielwaren», «herunterladbare virtuelle Baumaterialien»
Sollen Non-Fungible Tokens in Bezug auf Waren klassiert werden, müssen die Waren
genannt werden, die durch NFTs authentifiziert werden. Beispiele für zulässige Formulierungen: «durch Non-Fungible Tokens [NFTs] authentifizierte herunterladbare digitale
Bilddateien»; «durch Non-Fungible Tokens [NFTs] authentifizierte herunterladbare virtuelle
Schuhe».
Bei Dienstleistungen ist wie folgt zu differenzieren: Grundsätzlich hat das Mittel, mit dem eine Dienstleistung erbracht wird, keine Auswirkungen auf die Klassifizierung der Dienstleistung. Finanzberatung wird beispielsweise in Klasse 36 eingeordnet, unabhängig davon, ob die Erbringung der Dienstleistung persönlich, telefonisch, online oder in einer virtuellen Umgebung erfolgt. Das gilt jedoch nicht, wenn sich der Zweck oder das Ergebnis einer Dienstleistung aufgrund des Mittels oder des Ortes ihrer Erbringung ändert. Transportdienstleistungen oder Verpflegungsdienstleistungen haben bspw. in einer virtuellen Umgebung nicht denselben Zweck oder dasselbe Ergebnis und müssen in der dafür vorgesehenen Klasse 41 klassifiziert werden.
Beispiele:
- Klasse 41: «in virtuellen Umgebungen bereitgestellte Unterhaltungsdienstleistungen bezüglich Materialbearbeitung», «in virtuellen Umgebungen bereitgestellte Ausbildungsdienstleistungen bezüglich Materialbearbeitung», «in virtuellen Umgebungen simulierte Verpflegungsdienstleistungen zu Unterhaltungszwecken», «in virtuellen Umgebungen bereitgestellte Unterhaltungsdienstleistungen»
- Klasse 42: «Online-Bereitstellung von nicht herunterladbarer Software für die Prägung von NonFungible Tokens [NFTs]»
- Weitere in virtuellen Umgebungen erbrachte Dienstleistungen betreffen u.a. die Klassen 35, 36 oder 38 (Chatrooms).
Fazit
Blockchain, Metaverse und Web3 eröffnet ungeahnte Möglichkeiten für Marken, für ihre Kunden immersive und massgeschneiderte Erlebnisse zu schaffen. Unternehmen, die diese Technologien einsetzen, können tiefere Kundenbindungen aufbauen und ihre Reichweite signifikant erweitern. Besonders spannend sind die Anwendungen von NFTs als Echtheitszertifikate, die sowohl den Wert digitaler Kunst als auch physischer Produkte absichern. Beispiele aus der Praxis wie die innovativen Projekte von Mercedes-Benz, Nike und Lalique zeigen das enorme Potenzial dieser Technologien.
Allerdings bringt die Integration von Web3 und NFTs einige rechtliche Herausforderungen mit sich. Markeninhaber müssen sich intensiv mit geltenden Gesetzen und Vorschriften auseinandersetzen, insbesondere in Bezug auf AGB, Web3-Domainnamen und die Klassifizierung von Marken und Designs. Die frühzeitige Sicherung von Rechten und die klare rechtliche Absicherung sind entscheidend, um im virtuellen Raum erfolgreich zu agieren.
Keller Schneider steht Ihnen zur Seite, um rechtliche Aspekte zu meistern und Chancen optimal zu nutzen. Mit umfassendem Wissen und Erfahrung im Markenrecht unterstützen wir Sie bei der rechtlichen Absicherung innovativer Projekte, auch in (neuen) digitalen Technologien.
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