Das Staatstheater Braunschweig wagt ein Experiment mit VR-Brille und zeigt „Antigone – Comeback“. Bita Schafi-Neya hat sich das außergewöhnliche Theater-Projekt angeschaut und Besucher begleitet.
Es ist eine Zeitreise 70 Jahre zurück, bei der die Zuschauer bei diesem Gastspiel am Staatstheater Braunschweig den Protagonisten Bertolt Brecht und Helene Weigel hautnah begegnen. In Erinnerung an Brechts legendäre „Antigone des Sophokles“-Inszenierung von 1948 im Theater Chur spielt das Künstlertrio Raum+Zeit eine Theaterprobe mit Mitteln der virtuellen Realität.
In der Corona-Pandemie mehren sich die theatralen Experimente mit der VR-Brille, die das Publikum in eine virtuelle dreidimensionale Welt eintauchen lassen – wo immer sich der Benutzer auch befindet. „Wir probieren das jetzt gemeinsam einmal aus, damit sie ein Gefühl dafür bekommen. Drinnen werden sie in zwei Sequenzen so eine Brille aufgesetzt bekommen“, erklärt eine Theater-Mitarbeiterin den Zuschauenden, was sie beachten müssen. „Es gibt einen Part, da werden sie geführt, da müssen sie ein paar Schritte mit der Brille gehen.“ Alle zwölf Minuten wird eine Person mit einer Virtual-Reality-Brille in den Saal geführt. Für Besucherin Lydia Lange – die extra aus Hannover angereist ist – eine Premiere: „Was mich erwarten wird, das weiß ich nicht so ganz genau. Es wird Elemente von Antike geben mit total moderner Technologie. Eine VR-Brille habe ich noch nie aufgehabt. Ich denke, das wird sehr spannend.“
Zuschauende schlüpfen in die Rolle der Helene Weigel
Sobald die Zuschauerinnen und Zuschauer die VR-Brille aufgesetzt haben, sind sie mitten im Spiel, schlüpfen in die virtuelle Realität und damit quasi in die Rolle der Helene Weigel. So steht dem Betrachter plötzlich Bertolt Brecht gegenüber. Der belehrt, kommandiert, meckert rum. Eindrucksvoll gespielt von Schauspieler Peter Jecklin: „Du weißt, dass du dich nur in das Ganze fügen musst, dann bist du richtig gut, wenn du da stehst, wo du hingehörst. Und alle Worte sagst, wie sie aufgeschrieben sind.“
Brecht steht unter Druck. Er muss wieder Fuß fassen in der Theaterwelt und soll das klassische Drama „Antigone“ aufführen. Helene Weigel, die seit 15 Jahren nicht mehr auf der Bühne steht, ist mit ihren 48 Jahren eigentlich zu alt für die Rolle. Es beginnt ein mitreißendes Spiel um Macht und Widerstand: „Was ist denn los mit dir. Hast du etwas Besseres zu tun? Wo denn, in Zürich? Ist dir das hier zu klein? Langweilt dich das, was ich hier mit dir mache? Wer will dich denn sehen in Zürich?“, fragt Brecht.
Begegnung mit Schauspielerin Teil der Inszenierung
Zuschauerin Lydia Lange wird in die Garderobe geführt. Durch die VR-Brille ist lediglich ein Schminktisch mit ein paar Utensilien zu sehen. Sie nimmt die Brille ab. Plötzlich steht ihr Claudia Renner alias Helene Weigel leibhaftig gegenüber: „Die Mühe, das ist wichtig. Das ist Arbeit, das ist deine Arbeit an der Sache. Und die Sache, die ist groß. Sie ist noch lange nicht fertig. Und deshalb ist die Probe nicht zu Ende, sie ist noch lange nicht zu Ende, hörst du?“
VR-Brille versetzt in unterschiedliche Zeiten und Räume
Jeder Raum versetzt einen in eine andere Zeit und Welt. Sei es die kleine schmucklose Garderobe von Helene Weigel, der Zuschauer- oder der Bühnenraum. Ganz besonders fasziniert das Schlussbild, wenn die Decke und die Wände vor den Augen abgebaut werden und man sich unvermittelt an einem rauschenden Bach mitten in den Bergen befindet. Von dem Spiel mit künstlicher Realität sind am Ende sowohl Lydia Lange als auch die anderen Zuschauer*innen begeistert.
Zuschauer loben innovatives Erlebnis
„Vor allem man hat erst einmal alles erlebt, alles gesehen und sich manchmal geärgert, was für ein Typ der Bertolt Brecht war. Am Ende habe ich gesehen, wie die anderen Zuschauer da mitmachen, das war echt so ein Eye-Opener“, erklärt Lange. Andere Zuschauer loben die innovative technische Umsetzung. Manch eine ist zu Tränen gerührt und hätte „Antigone am liebsten in den Arm genommen“.
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